Neue Medizin-Kolumne – exklusiv mit Prof. Dr. Grönemeyer
Früher, in meiner Zeit als junger Arzt, durfte ich oft einen Landarzt bei seinen Hausbesuchen begleiten. Ich habe viel von ihm gelernt. Besonders, dass das ehrliche und empathische Kümmern Vertrauen schafft – und damit die Grundvoraussetzung ist, dass ein Mensch sich öffnet.
Dass er über sich erzählt, sein Leiden, seine körperlichen und seelischen Symptome schildert und dann auch bereit ist, seinen Frust und seine sozialen Probleme, zuhause und am Arbeitsplatz, nach und nach zu äußern. Das braucht Zeit und Offenheit auf beiden Seiten. Aber es ist die Grundlage für eine effiziente Diagnose und Therapieplanung.
Hausärzte sind auch heute noch zumeist die erste Anlaufstelle. Knapp 40 Prozent aller in Deutschland niedergelassenen Vertragsmediziner sind Hausärzte und Hausärztinnen, 70 Prozent aller Patienten nennen ihren Hausarzt als ersten Ansprechpartner, wenn es um ihre Gesundheit geht. Sie begleiten, wie in meinen Fall der beschriebene Landarzt, ihre Patienten oft ein Leben lang. Sie sind nicht selten Dreh- und Angelpunkt als Familien- und Vertrauensärzte, als persönliche Kenner und Kümmerer.
Sie gehören zur „hörenden und sprechenden Medizin“, die das für eine erfolgreiche Behandlung so wichtige Vertrauen aufbaut. Hausärzte sind deswegen so gut darin, weil sie nicht nur uns als Patienten kennen, sondern auch unsere Familie, unser soziales Umfeld und die persönliche Situation. Nicht zuletzt, weil sie Hausbesuche machen, auch wenn sie diese nicht ausreichend vergütet bekommen. Ich finde, es ist Zeit, diesen wichtigen Menschen einen höheren Stellenwert zu geben.
Aus diesem Grund plädiere ich schon lange für ein System, das die Hausarztpraxen stärkt und die dort tätigen Personen zu Co-Piloten und Gesundheitsmanagern macht. Denn Hausärzte und Hausärztinnen haben die besten Vorrausetzungen, um vom Einfachen zum Komplizierten, von der konservativen Therapie bis hin zur Spezialbehandlung, die Brücke zu schlagen zwischen den individuellen Bedürfnissen der Patienten hin zum technisierten Medizinsystem.
Sie sind als Kenner der Menschen in der Lage, Hilfe zur Selbsthilfe durch Prävention anzuregen und die Patienten zu motivieren, ihre Gesundheit aktiv zu managen. Sie verbinden – zusammen mit ihren Teams in den Praxen – zwei wichtige Dinge miteinander: die Vertrautheit mit dem Patienten und das Wissen um die wachsenden Möglichkeiten einer komplexen Behandlung. Und genau deshalb benötigen sie in unserem Gesundheitssystem viel mehr Unterstützung.
Was ist integrative Medizin?
Die Integrative Medizin verbindet – basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen – die konventionelle Medizin mit ergänzenden Behandlungsmethoden wie beispielsweise Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM), Homöopathie, Phytotherapie oder etwa Osteopathie und Ayurveda zu einem Gesamtkonzept.
Im Fokus steht dabei immer der Mensch. Bei der Behandlung von Krankheiten werden deshalb persönliche Bedürfnisse und das subjektive Krankheitserleben der Patient:innen intensiv mit einbezogen. Integrative Medizin verfolgt die Zielsetzung die bestmögliche Therapie für den Einzelnen zu finden um dadurch auch die jedem Organismus zur Verfügung stehenden Selbstheilungskräfte optimal zu nutzen.
Dabei arbeiten Ärzte, Heilpraktiker, Hebammen, Apotheker und Pflegekräfte Hand in Hand.
Text: Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer, Redaktion: Susanne Petersen